Waldzertifizierung
GOLD für NATURLAND - SILBER für FSC


Von Dr. Helmut Klein, Waldpolitischer Sprecher des BUND
(Oktober 2000)

Es begann 1991 mit den Vorarbeiten für die UNCED, die United Nations Conference on Environment and Development, im Juni 1992 in Rio. BUND und DNR hatten eine Projektstelle für diese Arbeiten eingerichtet, und es gab in Bonn Workshops im November 1991 und im April 1992 und eine Marathon-Arbeitssitzung in der Bundesgeschäftsstelle, bei der Margit Mertens, als Sekretärin für 30 übermüdete Hektiker, schier unmenschliches leistete. Beteiligt hatten sich über 40 Gruppierungen aus dem NRO-Bereich. Die forstlichen Vereinigungen verweigerten sich geschlossen. In Holland und den USA liefen ähnliche Prozesse zum Thema Waldschutz.

Das Ergebnis der deutschen Arbeitsgruppe war eine ausführliche Diskussionsvorlage mit Forderungen zu Schutz und Nutzung der Wälder Deutschlands und der Welt. Gefordert wurde "die Formulierung wissenschaftlich fundierter Kriterien und Richtlinien für die Bewirtschaftung, Erhaltung und nachhaltige Entwicklung aller Waldarten" und dabei "die Einbeziehung der sozialen, ökologischen und ökonomischen Werte". Weiter forderten wir ein Kahlschlagsverbot, Pestizidfreiheit des Waldes, Naturverjüngung statt Pflanzung, gestufte, naturnahe Mischbestände, Verzicht auf Fremdländeranbau, 5-10 Vorratsfestmeter Totholz pro Hektar und mindestens 5 % der Waldfläche als "waldökologische Lehrfenster" (heute "Referenzflächen") nicht unter 20 Hektar. Wir brauchten ein "Qualitätssiegel" für Holz aus entsprechendem Waldbau und dazu die Kooperation von Waldbesitzern.

Sechzehn Gespräche des BUND mit 12 Organisationen aus dem Bereich Waldnutzung erbrachten nur die Erkenntnis, daß dort ausschließlich Desinteresse, Berührungsangst, Mißtrauen und Arroganz gegenüber unserem Ansinnen walteten. Der Bayerische Grundbesitzerverband (Großwaldbesitzer) forderte uns sogar auf, "zunächst schriftlich zu erklären, daß wir das Eigentum achten"!

So starteten wir 1994 gemeinsam mit Greenpeace konkrete Vorarbeiten für eine optimale Zertifizierung, banden dann die anderen Waldschutzgruppen und die Waldarbeitergewerkschaft ein und kamen flott voran. Für die praktische Umsetzung gewannen wir den NATURLAND-Verband, der schon Ansätze zur Waldzertifizierung bei seinen Biobauern hatte. Dies wurde der Anstoß für eine blindwütige Verhinderungskampagne der Waldbesitzer-Verbände und ihrer Vertreter, die bis hinein in den NABU und den BN reichte. Zitat aus einem Brief des bayerischen AK-Wald an den Bundesvorstand: "Welche Utopisten sind hier am Werk? ... Habt Ihr denn total abgehoben Freunde? Wollt Ihr einmal mehr den anderen beweisen, daß Naturschützer Spinner ohne Realitätsbezug sind? ...."

In dieser Zeit war im Rahmen des Rio-Nachfolgeprozesses als internationale Zertifizierungsorganisation der Forest-Stewardship-Council (FSC) gegründet worden. Die Gründung einer deutschen Arbeitsgruppe war gefordert. Die deutschen Umweltverbände waren ausnahmslos dabei. Die Waldbesitzerorganisationen wurden wieder eingeladen, aber sie warnten lieber ihre Mitglieder vor neuen Bestrebungen zur "Enteignung des Grundbesitzes". Die Gewerkschaften, die Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) und eine starke Gruppe aus dem Holzhandel arbeiteten mit. Das erste Büro war in unserer Bundesgeschäftsstelle. Die Anforderungen des Zertifikates sind aus der Sicht des Naturschutzes fortschrittlich, wenn auch nicht so gut wie bei NATURLAND. Der FSC startete rasch durch und wurde zum Haßobjekt der etablierten Szene um die großen Staatsforstverwaltungen (besonders BW, BY und TH) und die Waldbesitzerverbände.

So unterstützen wir heute zwei Zertifizierungssysteme: NATURLAND, das Siegel für das ganz besondere Holz, als Goldmedaille für den Waldbau und FSC, als das Holz für alle Bedürfnisse des umweltbewußten Bürgers, als Silbermedaille für den Waldbau. Da die NATURLAND-Kriterien strenger sind als die von FSC, kann das FSC-Zertifikat auch im Sinne guter Partnerschaft, zusätzlich zum NATURLAND-Siegel vergeben werden.

FSC hat inzwischen in Deutschland 1400 km² Wald unter Vertrag. Weltweit sind es 200.000 km² in 55 Ländern. Dort gibt es aber zum Teil noch erhebliche Probleme mit den Standards und den Prozeduren, so daß noch viel schwierige Arbeit geleistet werden muß, wenn dem Wald gedient und unser Ruf nicht geschädigt werden soll. NATURLAND betreut in Deutschland jetzt 214 km² Wald. Der Effekt dieser Regelung wird auf Jahrzehnte für die Natur ähnlich positiv sein wie die Ausweisung einer entsprechenden Fläche als strenges Schutzgebiet. Der Absatz des Holzes läuft gut und die erzielten Preise machen den Mehraufwand für die Waldbesitzer lohnend.

Die etablierte Forstszene hat aber nun auch begriffen, daß zertifiziertes Holz tatsächlich einen Marktvorteil hat. Statt Kooperation versucht sie allerdings ein eigenes Siegel, das 3. auf dem Markt, zu etablieren. Es ist europaweit angelegt und heißt Pan-Europäisches-Forst-Certifikat (PEFC). Gewerkschaften oder Umweltverbände sind daran nicht beteiligt, obwohl dies nach den PEFC-Statuten notwendig wäre. Es ist damit ein lupenreines Selbstzertifikat. Die Statuten gäben den Umweltverbänden auch kein wirksames Gewicht bei der Mitarbeit. Gefördert wird es mit Millionenbeträgen, entgegen aller Marktwirtschaft, auf Kosten der Steuerzahler, weil ein Heer von Beamten für die Durchsetzung arbeitet und auf Kosten aller (!) Waldbesitzer, weil von jedem Holzverkauf 0,5 % des Rechnungsbetrages als Zwangsabgabe an den Holzabsatzfonds abgeführt werden. Gleichzeitig verbreiten PEFC-Vertreter immer wieder wahrheitswidrig, der BUND oder einer seiner Landesverbände sei Mitglied. In der wichtigsten Broschüre der Initiative und einem Zeitschriftenartikel wird behauptet, die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald sei Mitglied, obwohl dies deren Bundesgeschäftsstelle dementiert. Die Landwirtschaftsminister von Bayern, Baden-Württemberg und Thüringen versuchten sogar die Baumarktkette OBI unter Druck zu setzen, als bekannt wurde, daß sie wie Stinnes, Praktiker, Karstadt und andere, wo immer möglich, FSC-Holz bevorzugen wird. Der Referent für Forstpolitik im Stuttgarter Ministerium unterstellt mir in einem "persönlichen Brief" wirtschaftliche Vorteile aus unserer Initiative, schickt diesen Brief an die Landesvorsitzende in BW und wirft auch den anderen an unseren Initiativen beteiligten Umweltverbänden vor, wegen finanzieller Profite unsere Projekte zu betreiben. Das Bundesland Niedersachsen legt gerade einen Entwurf für ein neues Waldgesetz vor, in dem die Ausweisung von Referenzflächen im Privatwald staatlicher Genehmigung bedürfen soll. Damit könnten FSC und Naturland gestoppt werden. PEFC bedroht BUND und Robin Wood wegen kritischer Äußerungen über diese Zustände mit Klagen.

So gibt es nun auf dem deutschen Markt drei Zertifikate, die sich deutlich unterscheiden. Die wichtigsten Bestimmungen hinsichtlich der Schonung der Natur sind die folgenden:

1. Nachdem unter dem gegebenen "Konkurrenzdruck" vielfach nachgebessert wurde, gilt bei PEFC:

  • "Kahlschläge werden grundsätzlich unterlassen." Sie sind also zulässig. Alle denkbaren Ausnahmegründe sind als gültig aufgeführt. Ausserdem ist nicht definiert, was ein Kahlschlag ist.
  • Pestizideinsatz ist zulässig.
  • Der Anbau standortsfremder oder fremdländischer Bäume ist nicht beschränkt.
  • Referenzflächen sind nicht vorgesehen.
  • "Totholz und Höhlenbäume" sind "in angemessenem Umfang zu erhalten soweit ...."
  • Die "Prüfung" erfolgt an Hand eines pauschalen Berichts, den die Landesforstverwaltungen für ihr Bundesland abgeben. Betriebskontrollen sind in den Leitlinien nicht vorgesehen.

2. Für das FSC-Zertifikat gilt:

  • Kahlschlag (Flächendurchmesser größer als eine Baumlänge des Bestandes) ist unzulässig.
  • Pestizideinsatz ist nur bei Zwang durch behördliche Anordnung zulässig.
  • "Die Baumartenwahl orientiert sich an den natürlichen Waldgesellschaften". Standortsfremde sind nur so begrenzt zugelassen, daß die Entwicklung zu standortheimischen Waldgesellschaften nicht gefährdet wird.
  • Im Bundes-, Staats-, und Großkommunalwald sind 5% der Wirtschaftsfläche als Referenzflächen auszuweisen.
  • "Für die Erhaltung und Anreicherung von Biotopbäumen und Totholz wird eine betriebliche Strategie festgelegt und in den Bewirtschaftungsplan integriert." Höhlen-, Bruch- und Blitzschlagsbäume sind weitgehend geschützt.
  • Kontrollen erfolgen "regelmäßig und reproduzierbar" durch eine unabhängige Prüfstelle.

3. Die NATURLAND-Richtlinie besagt:

  • Kahlschlag (Flächendurchmesser größer als eine Baumlänge des Bestandes) ist unzulässig
  • Pestizideinsatz ist verboten.
  • "Ein wichtiges Ziel der ökologischen Waldnutzung ist die kontinuierliche Annäherung des Waldes an die potentielle natürliche Lebensgemeinschaft (PNL)." Pflanzung standortsfremder Bäume ist unzulässig.
  • Es werden 10 % der holzwirtschaftlich nutzbaren Fläche als Referenzfläche ausgewiesen.
  • Höhlenbäume, absterbende oder tote Bäume, ungewöhnliche Bäume und Baumdenkmäler sind geschützt. Zehn Prozent Totholzanteil am Holzvorrat werden angestrebt. Der Erhalt von Sonderbiotopen erfolgt über den gesetzlichen Schutz hinaus.
  • Geprüft wird jährlich angemeldet oder unangemeldet durch eine unabhängige Prüfstelle.

Der BUND und seine Partner haben also allen Grund, zu unseren bisherigen Entscheidungen zu stehen und einen großen Erfolg zu feiern, der gegen massive äussere und innere Widerstände erkämpft werden mußte und deshalb um so schwerer wiegt. Beim Kauf von Holz sollten alle Bürger die etwas füe ihren Wald tun wollen

auf die Zeichen NATURLAND oder FSC achten
und PEFC konstruktiv kritisieren und dann ignorieren.