ARBEITSKREIS WALD

 

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13.1.2006

Zum Bundes-Waldzustandsbericht 2005

 

Rituale schleifen sich ab, aber es grenzt schon an Verachtung der Demokratie, wenn der Minister, der die Belange des deutschen Waldes zu vertreten hat, trotz persönlicher Durchsicht des Berichtstextes, davon spricht, dass sich unser Wald „leicht erholt“ habe.

 

Die sachliche Grundlage dafür ist eine rechnerische Abnahme der gesamten berücksichtigten Schadensfläche von 72 auf 71 Prozent. Dies ist weniger als die gut untersuchte Messgenauigkeit hergibt, und der Befund kann sogar durch eine minimale Abnahme der Rechenergebnisse um ein Zehntel Prozent über die Rundungsgrenze erzeugt sein.

 

Betrachtet man die Befunde für die schweren Schäden (über 25 % Entlaubung/Entnadelung), so stellt man fest, dass die Entwicklung von dem Jahr des extremen Hitze- und Trockenstresses 2003 mit 23 % auf 31 % (+ 8%) 2004, jetzt rechnerisch um knapp 2 % zurück auf 29 % verlief. Dabei hatten alle Abwiegler unermüdlich verkündet, der Befund für 2004 sei ein Sonderfall als Folge der extremen Stressbelastung von 2003 und schon die Schadensentwicklung nach den Trockenjahren 1982 und 1991 hatte gezeigt, dass der Wald solche „Sonderbelastungen“ nur noch zu einem kleinen Teil ausgleichen kann.

 

Dazu kommt noch, dass wesentliche Teile der Wetterwirkung über die Begünstigung von Insekten und Pilzen laufen, die unter solchen Bedingungen zu sogenannten „Forstschädlingen“ werden. Da inzwischen Einigkeit darüber besteht, dass die Häufigkeit solcher Wetterextreme durch die Verschmutzung der Atmosphäre mit Treibhausgasen verstärkt wird, stellen sich die Fragen, wer hier der Schädling ist und wieso – zumindest in Bayern, wo ein Viertel des deutschen Waldes steht – letztlich durch Borkenkäfer getötete Fichten aus der Waldschadensstatistik herausgenommen werden. Dass es dabei um sehr deutliche Einflüsse geht, zeigen die staatlichen Berichte über Insektenschäden und die panische Pressearbeit des bayerischen Forstministers Miller, der in der abgelaufenen Vegetationszeit (5.5.05) titelte: „Borkenkäfer auf Raubzug!“ und formulierte: „Wer jetzt nicht entschlossen gegen den Borkenkäfer vorgeht, gefährdet nicht nur seinen Wald, sondern auch den seines Nachbarn“.

 

Zur Gesamtbewertung der Schäden sollte man sich erinnern, dass der damalige Forstminister Ignaz Kiechle (CSU) 1983 im 1. sorgfältig erhobenen Bericht schrieb „Im Waldsterben sehe ich eine Herausforderung ersten Ranges, der mit allen Mitteln begegnet werden muss.“ Damals waren 27 % des Waldes geschädigt, davon 4,5 % schwer. Heute legt der Parteifreund Seehofer den neuen Bericht vor, der trotz inzwischen perfektionierter Schönung der Ergebnisse von Schäden an 71 % des deutschen Waldes berichtet, darunter 29 % schwere Schäden. Darin sind fast alle seit 1983 gestorbenen Bäume unterschlagen. Es fehlen alle umgefallenen oder umgeschnittenen Bäume, mindestens großenteils die noch stehenden „Käferbäume“, Tote ohne Feinreisig, die Sturmwürfe, Bäume mit abgefallenen kleinen und großen Kronenteilen, die Auswirkung verstärkter Blüten- und Samenbildung und die Bäume, die „planmäßig“ geerntet wurden.

 

Regional erscheint Baden-Württemberg am schwersten betroffen. Dort sind insgesamt 81 % des Waldes geschädigt, davon 43 % schwer. Die mittlere Entlaubung landesweit beträgt 26,2 Prozent. Dies bedeutet, dass auch die Leistungsfähigkeit dieser Bäume um 26,2 % gesunken ist. Man stelle sich den Aufschrei unserer Gesellschaft vor, wenn Daimler-Chrysler eine entsprechende Leistungseinbuße erleiden würde. Bezüglich der zeitlichen Entwicklung während der letzten drei Jahre hat das Saarland die größten Sorgen. Dort nahmen die Gesamtschäden seit 2002 von 48 auf 77,4 % zu und die schweren Schäden von 11 auf 33,7 Prozent. Bei der Wertung der Befunde von Brandenburg ist zu beachten, dass das Ergebnis zu 83,1 % auf untersuchten Kiefern besteht. Die Schadensentwicklung dieser Baumart verläuft seit 1984 relativ moderat und sie ist dort zum größten Teil eine künstlich eingeführte Baumart.

 

Eine Bewertung der Befunde nach Baumarten bestätigt in beklemmender Weise den mindestens seit den frühen neunziger Jahren erkennbaren Trend zum Totalschaden der Eiche. 2005 waren bundesweit 85 % der Eichen krank, davon 51 % schwer. In Bayern liegt der Anteil schwer geschädigter Eichen sogar bei 62 %, in Baden Württemberg bei 75 Prozent. Unter den Eichen, die mit mindestens 60 Jahren auch mindestens ein Zwanzigstel ihrer natürlichen Lebenserwartung erreicht haben („Altholz“ in der Forststatistik), sind bundesweit sogar gut 60 Prozent als schwer geschädigt eingestuft.

 

Die derzeitigen und zukünftigen Primär- und Sekundärschäden der Immissionswirkungen auf den Wald verstärken viele andere Umweltbelastungen und ihre Folgen. Besonders plakativ sind die Wirkungen auf Wasserqualität, Gewässer und Klima.

 

Dazu kommen noch gravierende Wirkungen der „Forstreformen“, wie sie in mehreren Bundesländern inzwischen geplant oder durchgezogen werden. Erstens werden dabei durch die einseitig betriebswirtschaftliche bzw. holzwirtschaftliche Ausrichtung die „umweltbedingten“ Belastungen des Ökosystems verstärkt. Beispiel ist der verstärkte Einschlag und Verkauf großer/starker Bäume, weil dabei mehr Einnahmen pro Arbeitseinheit erzielt werden können. Die betroffene Baumgruppe ist aber gleichzeitig weit überdurchschnittlich geschädigt. Zweitens besteht ganz real die Gefahr, dass die Forstunternehmen eines Tages die Erhebung der Schäden oder wenigstens ihre Veröffentlichung unterbinden, weil es ihren Betriebsstrategien hinderlich ist. Beispiel hierfür könnte „Hessenforst“ sein. Dieses Bundesland legt seit 2003 keine Waldschadenserhebung mehr vor, die mit den alten Daten Hessens, der übrigen Bundesländer und der Partnerländer in der EU vergleichbar sind. Hier ist „die brutalst mögliche Aufklärungsverweigerung“ bereits Tradition. Schließlich ist es drittens, verantwortungslos, gerade in der beschriebenen ökologisch-ökonomisch-politischen Situation die Betreuung von Wald und Waldwirtschaft durch Fachpersonal drastisch zu reduzieren und die Waldarbeit weitgehend durch ortsfremde Lohnunternehmen mit beliebigen Arbeitskräften ausführen zu lassen.

 

Alle dargestellten Diagnosen dieses 23. Wadzustandsberichtes machen klar, dass Fachleute wie Professor Eugen Rehfueß aus München-Weihenstephan oder Günter Keil aus dem BMBF mit ihren unermüdlichen Vorstößen zur Leugnung des Problems oder seiner Dimension ein unverantwortliches politisches Spiel spielen. Aber auch Entscheidungsträger in den Medien sollten bei allem Reiz einer kontroversen Berichterstattung im Bewusstsein behalten, dass die meisten Bürger angesichts der Komplexität des Problems und der unübersichtlichen Datenlage keine Chance haben, sich ein begründetes eigenes Urteil zu machen. Angesichts der erwarteten Folgen eines weiter fortschreitenden Waldsterbens geht es um eine Gratwanderung zwischen großen Verdiensten und schwerer Schuld.

 

Insgesamt läuft in unserem Land eine radikale Abkehr von der ohnehin stark eingeschränkten Nachhaltigkeit der Waldnutzung. Unser Wald als Schlüsselressource, Gemeingut, Existenzgrundlage und Schöpfung hat nur dann nachhaltig eine Chance, wenn die Bürger durchsetzen, dass sein Zustand regelmäßig weiterhin erfasst wird mit Methoden, die zuverlässig und mit älteren und landesfremden Daten vergleichbar sind. Zusätzlich müssen unbedingt – endlich – die gestorbenen Bäume statistisch erhalten bleiben und die Erfassung der massenhaft entstandenen und wachsenden Kahlflächen muss durchgesetzt werden. Die Verweigerungshaltung der Politik in diesem Punkt zeigt am deutlichsten die abwegige politische Motivation dafür, denn die Daten liegen bei den Verwaltungen vor. Man müsste sie nur dem Souverän Bürger zugängig machen. Unsere Mandatsträger sollten sich bemühen, das Thema besser politisch präsent zu halten.

 

Die Kosten hierfür wären lächerlich im Vergleich zu dem Aufwand, den auch Deutschland/Europa treibt, um herauszufinden, ob es auch auf den anderen Planeten Wasser und primitives Leben gibt.

 

 

Ansprechpartner:

Dr. Helmut Klein, Waldpolitischer Sprecher des BUND    Tel: 08152-2344

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