Der Wald stirbt weiter!
Auch eine neue Waldpolitik ist gefragt

Anmerkungen zum Waldschadensbericht 2001
vom 17.12.2001

Der erste Waldzustandsbericht unter der Verantwortung von Ministerin Künast liegt vor. Die Mitgliederverbände der AG-Wald stellen fest, dass sich der Trend zur objektiveren Darstellung der Befunde fortsetzt. Das Schadensausmaß wird endlich nicht mehr bei allen Gelegenheiten verharmlost. Die bewertenden Texte zu den Baumarten sind systematisiert. Vergleiche werden zum Beginn der Zeitreihe oder zum Vorjahr gezogen und nicht zum "politisch" passendsten Jahr. Abgenommen hat auch die frühere Tendenz, alle Möglichkeiten der Forstpartie zur Schadensbegrenzung in den Fordergrund zu schieben und gleichzeitig präzise Forderungen an die Verursacher und ihre Helfer zu vermeiden. Neu ist auch, dass im Bericht die Aussage der Schadstufe null mit den Worten "ohne sichtbare Schäden" beschrieben wird, was vermeidet, dass dahinter gesunde Bäume vermutet werden. Leider wurde diese seriöse Formulierung nicht in die Pressetext von Staatssekretär Thalheim übernommen.

Die wichtigste Erkenntnis der neuen Schadenserhebung bezieht sich auf die Waldböden. Erneut wird - wie schon seit Jahren - in zahlreichen Länderberichten und im Bundesbericht darauf hingewiesen, dass die Belastung der Waldböden durch Säure- und Stickstoffeinträge immer noch die Belastbarkeitsgrenzen übersteigt. Der Bodenzustand verschlechtert sich weiter. Da hierbei die konventionelle Landwirtschaft einen wesentlichen Teil der Schadstoffquellen betreibt, ist die vom Ministerium in Angriff genommene politische Verknüpfung der Agrarwende mit der dringend notwendigen Wende bei der Waldvergiftung ein wichtiger Schritt. Die Kooperation der Länder müsste mit Hilfe der von den Ländern selbst gelieferten Argumente zu erreichen sein. Dies wäre ein gleichermaßen wichtiger Beitrag zum Schutz von Wald, Trinkwasser und Mensch, und es würde auf lange Sicht zur Minderung der Krankenkosten beitragen.

Waldbesitzer und Förster hätten nach Ansicht der Umweltverbände guten Grund, ihre teilweise parteiideologisch begründete Ablehnung der Ministerin zu überdenken. Sie sollten sich lieber - im Interesse ihrer Wälder - gemeinsam mit den Umweltverbänden in diesen Prozess einschalten und darauf hinwirken, dass sich dieser Trend zu einer "neuen Waldpolitik" verstärkt.

Die Erhebungen zeigen, dass trotz der deutlichen Erfolge der Bemühungen um die Reinhaltung der Luft die kritische Grenze noch nicht unterschritten ist. Weiterhin sind 64 % der deutschen Waldfläche sichtbar geschädigt. Zweiundzwanzig Prozent weisen sogar schwere Schäden auf und nur 36 % der Waldfläche sehen zur Zeit gesund aus.

Wie auch der Regierungsbericht kommentiert, nimmt das Schadensausmaß der Fichte seit 1996 zu. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Orkan Lothar gut fünf Prozent des gesamten Holzvorrates in Baden-Württembergs Wäldern aus der Statistik nahm. Davon geht der größte Teil zu Lasten der Fichten und diese fallen umso leichter, je stärker ihre Kronen verlichtet sind. Der angegebene Wert ist also wahrscheinlich zu niedrig.

Bei der Kiefer gingen besonders die schweren Schäden zwischen 1991 und 1995 deutlich zurück. Sie sind heute die niedrigsten bei den separat ausgewerteten Baumarten. Dies darf aber nicht zur "Entwarnung" führen, denn der größte Teil der Kiefern steht auf kalk- und nährstoffarmen Böden. Die Kalkarmut aber begünstigt die Versauerung und damit die Nährstoffauswaschung durch Sickerwasser. Gleichzeitig wird Stickstoff in völlig unverträglichen Mengen eingetragen. Das Nährstoffangebot wird insgesamt immer geringer und unausgewogener. Weitere Schäden werden die Folge sein.

Für die Tanne macht der Bundesbericht seit einigen Jahren keine Angaben mehr. Dies sollte dringend geändert werden, denn sie spielt zwar bundesweit auf der Basis der Holzmasse keine große Rolle. Sie ist fast nur in Bayern, Baden-Württemberg (und Hessen) verbreitet. Dort spielt sie aber eine zentrale Rolle für die Funktion der Schutzwälder in den Mittelgebirgen und besonders in den Alpen. Der Zustand dieser Baumart entscheidet auf lange Sicht auch über den bundespolitisch relevanten transalpinen Verkehr und die Bewohnbarkeit des Gebirges. Die Schäden haben bei den über 60-jährigen Tannen dramatisch zugenommen. Mindestens 40 % aller Tannen und etwa die Hälfte aller alten Tannen weisen schwere Schäden auf und mindestens 70 % aller Tannen sind sichtbar geschädigt.

Die Abnahme der Kronenverlichtung bei der Buche war erwartet worden, da der besonders hohe Wert in 2000 durch sehr starke Samenbildung verursacht war. Die Tatsache, dass von dieser Baumart, im Kernbereich ihrer natürlichen Verbreitung, seit neun Jahren nur noch etwa ein Viertel der Individuen keine der erhobenen Schadensmerkmale aufweisen, zeigt die Brisanz der Situation unserer Wälder am deutlichsten.

Bei der Eiche setzt sich ein Trend zur Besserung fort. Aber ein Anteil von 79 % sichtbar erkrankter und 33 % schwer kranker Bäume ist eine ökologische und ökonomische Katastrophe.

Der Waldzustand im Gebiet der neuen Bundesländer war bis 1991/1992 deutlich schlechter als in den alten Bundesländern. Danach setzte dort mit abnehmender Luftverschmutzung eine deutliche Erholung ein, der ab 1996 wieder eine langsame Zunahme folgte. Es scheint, dass dort die positive Wirkung der Minderung des Schwefeldioxidausstoßes durch die zunehmende Belastung mit Autoabgasen und dem daraus entstehenden Ozon, zunichte gemacht wird. Heute ist der Unterschied zwischen Ost mit 67 %/22 % und West mit 63%/23 % wohl nur noch durch die unterschiedliche Verteilung der Baumartenanteile im Wald verursacht.

Aber die Umweltschützer sehen noch lange nicht alle wichtigen Weichenstellungen vollzogen. Ein weiterer wichtiger Beitrag zu einer Versachlichung und zuverlässigeren Beurteilung der Waldschäden - und damit zu einer neuen Waldpolitik - wäre nach Ansicht des Waldlpolitischen Sprechers des BUND, Helmut Klein, die regelmäßige Erhebung und Veröffentlichung von Kahlflächen, die unmittelbar durch Immissionseinwirkungen oder durch Sturm und Insektenfraß entstanden. Es war sicher kein Zufall, dass eine wichtige Gruppe sächsischer Forstleute mit Blick auf das schwerstbetroffene Erzgebirge, dies bereits kurz nach der Wiedervereinigung öffentlich forderte. Unter einer grünen Ministerin sollte es durchsetzbar sein.